Lebenslanges Lernen - Der Alltag eines Mythos
Weiterqualifizierung steht auch in Krisenzeiten hoch im Kurs. Zahlreiche Anbieter locken mit den unterschiedlichsten Abschlüssen. So sind etwa Zertifikate und Diplome von privaten Bildungsanbietern und Akademien weit verbreitet. Hochschulen ziehen mit neuartigen Masterprogrammen und wohlklingenden Bachelorabschlüssen nach. Die Qualität der Programme ist jedoch oft nur auf dem Papier vorhanden, während die Realität ganz anders aussieht.
Viele Weiterbildungsangebote können nicht halten, was sie versprechen. Das Problem: Das spricht sich auch in den Personalabteilungen herum. So verlieren die neuen, modernen Abschlüsse ihren vermeintlich guten Ruf, was die mühsam angeeignete Zusatzqualifikation faktisch abwertet - frei nach dem Motto: "dann steht er da, der arme Tor ... kaum besser ausgebildet als zuvor".
Weiterbildungsprogramme in der Kritik
Ein Hauptproblem auf dem Weiterbildungsmarkt liegt in der Dynamisierung des Wettbewerbs. Die damit verbundene "Goldgräberstimmung" geht an der Qualität der Produkte leider nicht spurlos vorüber: Die Mittel für externe Dozenten sind gering, Festanstellungen zu teuer. Das macht die Arbeit für erfahrene und qualifizierte Lektoren gerade an jungen Hochschulen, aber auch an privaten Akademien unattraktiv. Diese Methode hat Tradition, denn auch an den alteingesessenen Universitäten Deutschlands ist die Bezahlung der externen Dozenten typischerweise schlecht.
Hinzu kommen unrealistische Programmkonzepte, die beispielsweise von Vollzeit-Fach- und Führungskräften verlangen, zwei Jahre lang an Freitagen und Samstagen die Schulbank zu drücken, für Klausuren zu lernen, Projektarbeiten zu schreiben und sich lebhaft am Unterricht zu beteiligen, nachdem sie eine Arbeitswoche hinter sich haben, die üblicherweise deutlich mehr als 40 Stunden beträgt. Einige Anbieter blasen daher den Lernumfang ihrer Weiterbildungsmaßnahmen auf das für eine Akkreditierung der Weiterbildungsmaßnahmen notwendige Pensum auf - Leerlauf wird als "Peer-" oder "Lerngruppe" und "Selbststudium" verkauft.
Die Qualität der Abschlüsse ist fragwürdig
Diese beiden Komponenten ergeben eine ausdrücklich nicht zündende Mischung. Die Teilnehmer sind erschöpft und die Dozenten sind überfordert. Es herrscht allgemeiner Motivationsmangel, während der Weiterbildungsanbieter verzweifelt den Spagat zwischen ökonomischem Handeln und nachhaltiger Bildung versucht. Die Folge ist eine Inflation fragwürdiger bis dubioser Abschlüsse, deren Wert angeblich darin besteht, zusätzliche Kompetenz ausweisen zu können.
Um als Teilnehmer das Beste aus seiner Weiterqualifizierungsphase herauszuholen, ist eine präzise Vorauswahl unerlässlich. Ganz neue Programme an sehr jungen Hochschulen und Akademien leiden oft unter den "Kinderkrankheiten" der Startphase, aber auch neue Masterprogramme an eingesessenen Hochschulen sind davon nicht ausgenommen. Persönliche Vorgespräche mit Dozenten und Verantwortlichen, Besuche vor Ort, eine unverbindliche Gasthörerschaft und Gespräche mit Teilnehmenden können meist einen guten Überblick über die tatsächliche Qualität der Weiterbildung vermitteln. Garantien gibt es jedoch nie.
Von Carsten Hennig